Weiterführende Datenauswertung

Aufbauend auf einem einführenden Blog-Beitrag zur Analyse von Rohdaten wollen wir nun langfristige Trends untersuchen. Dabei wollen wir der Frage nachgehen, welche Umweltfaktoren ausschlaggebend für die Gewichtsentwicklung im Stock sind. Dafür werden wir die Daten des Bienenstocks an der AGES (AUT-BIE-1) verwenden, da diese den Sommer über ohne Ausfälle und ohne Eingriffe Daten geliefert hat. Uns interessiert dabei vor allem der Bereich zwischen Ende Mai und Ende Juli, da dort die Bienen am meisten Nektar in den Stock tragen.

Als Kontext: Das »Bienenjahr« beginnt und endet mit der Sommersonnenwende, also dem kalendarischen Sommeranfang am 21. Juni. Bis dahin wachsen die Völker, es schlüpfen sehr viele Bienen. Danach reduziert die Königin die Eiablage und das Volk bereitet sich aufs Überwintern vor. Außerdem haben die meisten Nutzpflanzen geblüht, für die Bienen wird es eher schwieriger, Nahrung zu finden.

Disclaimer: In einem derart hochkomplexen biologischen System wie einem Bienenvolk können viele verschiedene Prozesse die Gewichtsentwicklung beeinflussen. Wir untersuchen in diesem Artikel nur ein Volk exemplarisch, und untersuchen nur den Einfluss weniger Wetterkennwerte. Ob eine getroffene Aussage für alle Bienenvölker gilt, können wir so natürlich nicht belegen. Ebenfalls gilt: Eine gefundene Korrelation muss keine Kausalität sein! Allerdings können wir exemplarisch sehen, was man mit dem eHive alles untersuchen kann.

1) Herunterladen der Daten

Zunächst laden wir die Daten wieder über die Diagramm-Ansicht herunter. Unsere Arbeitshypothese ist vorerst, dass die Gewichtsentwicklung mit der Sonneneinstrahlung und der Außentemperatur zusammenhängt.

Warum ausgerechnet diese Daten? Zunächst einmal ist zu erwarten, dass das Stockgewicht zunimmt, wenn die Bienen viel Nektar und Pollen sammeln. Das impliziert zwei Bedingungen, die erfüllt sein müssen:

  • Bienen müssen ausfliegen können, es sollte also einigermaßen warm sein, und es sollte weder regnen oder stürmen.
  • Pflanzen müssen Nektar bereitstellen. Das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, aber es sollte grundsätzlich nicht zu nass sein (Regen wäscht den Nektar weg) oder zu heiß (Nektar trocknet aus).

Daher sind die Datenreihen »Stockgewicht«, »Außentemperatur«, »Innentemperatur 3«, »Sonneneinstrahlung« und »Außenfeuchte« im Datensatz enthalten.

Abb. 1: Darstellung der Daten in der Diagrammanzeige der BeeBIT-Website.

In Abb. 1 erkennt man nicht besonders viel, außer ein paar allgemeiner Trends: Das Stockgewicht nimmt bis etwa Ende Juni stark zu und dann langsam ab und die Innentemperatur ist nahezu konstant bei 35°C. Mit NumPy können wir tagesweise Mittelwerte der Daten bilden, wobei beim Gewicht nicht der Mittelwert, sondern die Differenz zweier Messpunkte um Mitternacht interessiert, vgl. Abb. 2.

Abb. 2: Tagesweise Mittelwerte der Daten. Der Gewichtsunterschied wurde jeweils für aufeinanderfolgende Tage um Mitternacht berechnet.

2) Einflussfaktoren auf das Stockgewicht, Juni

Immer noch zu chaotisch? Wir werden die Daten gleich noch weiter vereinfachen. Gut erkennbar ist zumindest im ersten Monat (vor der Sommersonnenwende), dass bei hoher mittlerer Sonneneinstrahlung (grüne Kurve) der Gewichtseintrag besonders hoch ist (blaue Kurve), und bei niedriger Sonneneinstrahlung eher niedrig. Später ist diese Korrelation nicht mehr so stark.

Offenbar verändert sich dort etwas im Stock, was möglicherweise mit der Sommersonnenwende zu tun hat. Wir plotten nun alle Datenpunkte der ersten 40 Tage (also bis zum 08.07.2019) in einer Punktwolke, vgl. Abb. 3. Dabei wird auf der x-Achse die Gewichtsdifferenz und auf der y-Achse die Sonneneinstrahlung aufgetragen. Die Farbe zeigt die Außentemperatur an.

Abb. 3: Zusammenhang zwischen Sonneneinstrahlung und Gewichtsdifferenz für die ersten 40 Tage des Beobachtungszeitraums. Die Außentemperatur ist farbcodiert dargestellt.

Der Trend, den wir schon vermutet haben, scheint tatsächlich zu existieren! An Tagen mit besonders hoher Sonneneinstrahlung steigt das Stockgewicht stärker als an Tagen mit niedrigerer Sonneneinstrahlung. Wir gehen davon aus, dass heranwachsende Bienen nicht abhängig von der Sonneneinstrahlung schneller oder langsamer zunehmen, daher wird dieser Unterschied wohl mit dem eingetragenen Nektar zu tun haben. Außerhalb des Zusammenhangs gibt es ein paar Outlier, die wir später noch diskutieren: Tage mit sehr hoher Sonneneinstrahlung, an denen das Stockgewicht sinkt, und Tage mit niedrigerer Sonneneinstrahlung, an denen das Stockgewicht steigt. Diese sind mit dem Tag beschriftet, sodass wir sie später wiederfinden.

Auch hängt die Gewichtsveränderung im Juni nicht sehr stark von der Temperatur ab.

3) Einflussfaktoren auf das Stockgewicht, Juli

Das verändert sich im Juli, entsprechend tauschen wir die y-Achse aus. Die Farbe der Punkte korreliert jetzt mit der Sonneneinstrahlung, vgl. Abb. 4. Aufgetragen sind alle Punkte ab Tag 25 der Beobachtung, also dem 23. Juni.

Abb. 4: Zusammenhang zwischen Außentemperatur und Gewichtsdifferenz ab Tag 25 des Beobachtungszeitraums. Die Sonneneinstrahlung ist farbcodiert dargestellt.

Offenbar ist ab er Sommersonnenwende die Temperatur der ausschlaggebende Faktor für die Gewichtsveränderung. Das lässt sich gut erklären: Wir hatten zu Beginn gesehen, dass die Innentemperatur weitgehend konstant bleibt. Das bedeutet, dass die Bienen an den meisten Tagen heizen (d.h. Nahrung verbrauchen) müssen, um die Temperatur zu halten. Sie heizen natürlich besonders viel an Tagen, an denen es eher kühl ist. Auch im Juni haben die Bienen Nahrung verbraucht, aber an Tagen mit besonders hoher Sonneneinstrahlung konnten sie eben mehr Nahrung sammeln, als verbraucht wurde. Diese zwei Faktoren scheinen entscheidend für die Gewichtsveränderung sein. Aus der Literatur ist bekannt, dass vor der Sommersonnenwende die meisten Bienen schlüpfen, was die stark unterschiedlichen Absolutwerte der Gewichtsveränderungen im Juni und Juli mit verursacht.

4) Outlier

Es fällt auf, dass es in beiden Diagrammen Outlier gibt. Woran könnte das liegen? Das Diagramm kann helfen. Beispielhaft wollen wir uns den Juni anschauen.

Abb. 5: Untersuchung der Outlier. Rote Punkte und schwarze Kreuze kennzeichnen Tage mit besonders hoher bzw. niedriger Gewichtsdifferenz im Vergleich zu Tagen mit ähnlicher Sonneneinstrahlung.

Einige Wetterfaktoren haben wir noch nicht untersucht: Niederschlag und Luftdruck. Tragen wir die Outlier aus der ersten Punktwolke auf, erkennen wir, dass diese immer in der Nähe von Niederschlägen auftreten, häufig am Tag davor oder danach, vgl. Abb. 5. Die roten Punkte sind dabei Tage, an denen mehr gesammelt wird als an Tagen mit vergleichbarer Sonneneinstrahlung, die schwarzen Kreuze sind Tage, an denen weniger gesammelt wird.

Für die schwarzen Punkte lässt sich eine recht einfache Erklärung finden: Am Tag nach dem Regen sind die Blüten noch nass, die Bienen erreichen den Nektar nur schlecht. Daher sammeln sie dort weniger, auch wenn die Sonne scheint.

Die roten Punkte treten entweder an Tagen vor dem Regen oder einige Zeit nach dem Regen auf. Da die Bienen scheinbar im Mittel 0.5 kg/Tag in den Stock eintragen wollen, arbeiten sie an Tagen nach dem Regen (Ausgleich der Verlustzeit) mehr als sonst typisch bei diesem Wetter. Außerdem tragen dort die Pflanzen vielleicht besonders viel Nektar, weil es gerade geregnet hat. Auch an Tagen vor dem Regen (diesen antizipieren sie aus dem niedrigeren Luftdruck) sind sie produktiver als sonst, zu sehen an den Tage 7 und 23. Die Bienen planen offenbar zukünftige Wetterveränderungen bereits ein und wissen, dass sie die Verluste nach einem regnerischen Tag ausgleichen müssen, sobald die Blüten wieder trocken sind. Diese Beobachtung habe ich in der Literatur nicht gefunden und sollte tiefergehend untersucht werden. Allerdings haben wir leider recht wenig vollständige Datensätze, bei denen im Sommer weder Eingriffe oder Schwarmereignisse noch technische Probleme Sprünge im Gewichtsverlauf verursachten. Sobald wir einen funktionstüchtigen Ein- und Ausflugzähler haben, kann man dieses Phänomen genauer untersuchen.

5) Zusammenfassung

  • In der Hauptblütezeit im Juni korreliert die Gewichtszunahme mit der Sonneneinstrahlung und nur recht wenig mit der Temperatur.
  • Im Juli korreliert der Gewichtsverlauf mit der Außentemperatur und nur recht wenig mit der Sonneneinstrahlung, da die Bienen heizen müssen.
  • Besonderheiten ergeben sich immer an Tagen vor und nach Regenfällen. Die Bienen scheinen den Regen vorauszusehen und gleichen schlechte Tage an den Folgetagen aus, auch wenn das Wetter nicht ideal zum Sammeln ist.

Einige Einflussfaktoren auf den Gewichtsverlauf haben wir in der Auswertung nicht untersucht, weil dafür nicht genügend Daten vorliegen, z.B:

  • Pflanzen benötigen Wasser, um Nektar zu produzieren.
  • Die Gewichtszunahme aufgrund von Fortpflanzung können wir mit den vorliegenden Daten nicht von der Gewichtszunahme durch Nektareintrag entkoppeln.

Ergäzende Materialien

(jh) 2019-09-22